„Irgendwie habe ich mich total verzettelt. Jeden Morgen gehe ich ins Büro, sehe einen Berg ganz unterschiedlicher Dinge und weiß nicht, wo ich anfangen soll. Dann arbeite ich viele Stunden das Dringendste weg und habe trotzdem nicht das Gefühl, wirklich vorangekommen zu sein. Die neue Homepage, eine vernünftige Ablage, erste Kundentermine – alles erscheint mir gleich wichtig. Und abends gehe ich unzufrieden und kaputt nach Hause“, jammert Sophia. Ich begleite Sophia seit ein paar Monaten. Im Business-Coaching fasste sie den Entschluss, ihre Stelle als Social Media-Managerin in einem großen Unternehmen zu verlassen und selbständig für kleinere Unternehmen der Region zu arbeiten. „Vielleicht der richtige Zeitpunkt, mal innezuhalten und zu sortieren, statt einfach loszulegen“, gebe ich zu bedenken.
So wie Sophia geht es vielen Selbständigen. Im Business Coaching begegnet mir dieses Thema immer wieder. Viele Existenzgründer und Selbständige verlieren irgendwann den Überblick, verzetteln sich und erreichen deshalb die eigenen Ziele nicht. Wenn man sich selbständig macht, gibt es keine festen Strukturen mehr, keine gewohnten Abläufe, keinen Chef, der die Ziele für nächste Jahr festlegt, keine regelmäßigen Teammeetings, in denen gemeinsam geplant wird. Die ToDos für die kommenden Wochen muss man in der Selbständigkeit selbst definieren. Gleichzeitig wächst der eigene Aufgabenbereich – Organisation, Finanzplanung, Buchhaltung, Akquise, Marketing – egal, wie das Kernbusiness aussieht, das kommt das jetzt alles dazu.
Was Sie jetzt brauchen, ist ein richtig gutes Projektmanagement.
Und so werden Sie Ihr eigener Projektmanager:
1. Verschaffen Sie sich einen guten Überblick und setzen Sie Prioritäten!
Als Selbständiger arbeiten Sie immer parallel an verschiedenen Projekten. Bevor Sie sich also intensiver mit einer Aufgabe beschäftigen, müssen Sie wissen, was wo zu tun ist und wen Sie bei einzelnen Projekten miteinbinden.
Mit Sophia arbeite ich dazu in drei Schritten:
- Auf einer Pinnwand notieren wir die Bereiche Business-Entwicklung, Geschäftsräume, Büroorganisation, Marketing und Akquise in Blau nebeneinander. In diesen Arbeitsbereichen wird immer etwas zu tun sein.
- Dazu notieren wir in Rot, welche externen Dienstleister sie unterstützen und wen sie koordinieren muss. Momentan arbeitet sie bei der Ausstattung der Geschäftsräume mit einem Raumausstatter und seinen Handwerkern zusammen. Marketing und Homepagegestaltung macht sie mit einer Werbeagentur, die Organisation der Selbständigkeit mit mir.
- Alle Aufgaben, die uns spontan zu den Fachgebieten einfallen, schreiben wir unsortiert auf Moderationskarten, um sie später im Einzelnen anzuschauen und zu sortieren.
2. Wie sehen die wichtigsten Projektziele konkret aus?
Jedes Projekt hat Ziele. Diese sind jedoch oft eher vage gehalten. „Die Geschäftsräume müssen fertig ausgestattet werden“, „die Homepage soll online gehen“, „viele potentielle Kunden sollen angesprochen werden“.
Hier fehlen exakte, messbare und verbindliche Zielangaben. Formulieren Sie besser konkrete Ziele: „Bis Ende des Monats sollen die Geschäftsräume fertig sein, das Außenschild wird in zwei Wochen angebracht, die Bilder hänge ich morgen auf. Oder: „Die Homepage geht in 6 Wochen online, in der kommenden Woche wird mit der Agentur geklärt, was dazu noch zu tun ist.“ Oder auch: „In diesem Jahr will ich noch 30 neue Interessenten kontaktieren und daraus 5 gute Kunden gewinnen.“
3. Wer ist für was verantwortlich? Und wie wird kommuniziert?
Wenn verschiedene Personen an einem Projekt arbeiten, sehe ich oft, dass wenig über Arbeitsabläufe gesprochen wird. Immer wieder stellt sich heraus, dass niemand so genau weiß, wer welche Entscheidung treffen soll, wer wofür die Verantwortung hat. Und erst, wenn es nicht mehr vorwärts geht, wird allen bewusst: „Wir haben einfach losgelegt und sind davon ausgegangen, alles wird sich schon irgendwie finden.“
Sophia ärgerte sich, dass sie keinen Entwurf für ihre Außenbeschilderung bekam. Wir fanden heraus, dass die Agentur noch auf Informationen der Hausverwaltung wartete, diese das aber nicht wusste.
Achten Sie darauf, dass jedem klar ist, wofür er zuständig ist und was bis wann erledigt werden soll – und wer wen auf welche Weise über den Stand der Dinge informieren muss. Außerdem müssen alle wissen, wer der richtige Ansprechpartner bei Fragen ist.
4. Wie lange wird das eigentlich dauern? Wann bin ich bereit, loszulegen?
Der immer wieder verschobene Start der Homepage, riesige, ungeordnete Papierstapel, in denen man nichts findet, nicht geschriebene Rechnungen – das alles macht Druck und nicht selten entstehen dadurch ungeplante und unerwünschte Kosten.
Deshalb ist es sinnvoll, zu Beginn eines Projektes ausreichend Zeit in die Projektorganisation zu investieren. Wenn die Ziele klar sind, hilft ein Plan mit einzelnen Arbeitsschritten und festen Deadlines, einen guten Überblick zu haben.
Sophia hat eine ihrer Kernaufgaben, die Akquise, immer wieder verschoben. Nachdem wir aber nun festgelegt haben, dass sie in diesem Jahr noch 30 potentielle Kunden kontaktieren will, kann sie perfekt planen: Jetzt ist es Mitte September, ab Mitte Dezember geht nichts mehr – bleiben 12 Wochen – da heißt, in jeder Woche erledigt sie 3 Telefonate.
5. Und zum Schluss: Die allerletzten Arbeiten, etwas Manöverkritik und eine ganze Menge Stolz
Da Sophia von Anfang an einige Kunden und etliche Netzwerkkontakte hatte, hat sie vor einigen Wochen recht spontan eine kleine, Corona-gerechte Eröffnungsparty im Hof ihres neuen Büros veranstaltet. Diese muss noch nachbearbeitet werden: Alle Adressen der Gäste müssen in die Kundenkartei, denn sie will ihnen auf jeden Fall eine Weihnachtskarte schicken. Der Caterer und der Raumausstatter sollen ein Dankeschön-Schreiben bekommen und ein Foto der Party soll auf ihren Schreibtisch, um sie an den wunderbaren Start zu erinnern – und dann ist das Projekt Eröffnungsparty tatsächlich vom Tisch.
Sorgen Sie immer dafür, dass Sie Ihre Projekte gut beenden. Dazu gehört es, alle wichtigen Informationen festzuhalten und mit allen Beteiligten alles nochmals durchzusprechen. Das ist dann der richtige Zeitpunkt für ein Lob und ein Dankeschön - so nehmen Sie alle das gute Gefühl mit, etwas geschafft zu haben.
Und ziehen Sie ruhig auch für sich selbst noch einmal Résumee: Was alles haben Sie gelernt? Worauf sind Sie stolz? Und wie belohnen Sie sich zum Abschluss?
Gibt es in Ihrem Unternehmen Arbeitsbereiche und Projekte, die noch nicht so laufen, wie Sie sich das vorstellen? Wünschen Sie sich kreative und tragfähige Lösungen? Dann schreiben Sie mir an