Disruption oder Transformation im Change Management

Bewährtes oder Neues? Was ist wann richtig?

Sabine ist verzweifelt. „Die neue Chefin will alles umkrempeln. Aber an uns denkt Sie dabei gar nicht, ihr ist total egal, wie es uns damit geht. Den Jour fix hat sie jetzt mittwochs um 15 Uhr geplant – weil der Mittwochnachmittag der ruhigste Tag bei uns ist. Wenn es aber, wie fast immer, länger dauert, schaffe ich es nicht, pünktlich in der Kita meine Tochter abzuholen. Kein Mensch hat Zeit, sich in das neue Projektmanagementtool einzuarbeiten, auf das sie schwört – ganz schön kompliziert ist es auch. Als ob wir nicht schon genug zu tun hätten. Und statt bei einer gemütlichen Weihnachtsfeier wie immer mal Zeit zum Reden zu haben, hat sie uns zum „Teambuilding“ durch einen Escape-Room gescheucht. Hat im Team niemandem gefallen, aber gesagt hat auch keiner was. Mensch, wir haben hier doch immer einen super Job gemacht! Wenn das so weiter geht, suche ich mir was anderes!“

Change Management in Unternehmen – ein Thema, das mir im Coaching häufig begegnet. Und gerne würde ich Sabines Sätze ganz vielen neuen Führungskräften zeigen, die optimistisch mit vielen Ideen und großen Plänen starten und dann auf eine Menge Widerstand stoßen. Frust und Enttäuschung gibt’s da schnell auf beiden Seiten: Bei der Führungskraft, die sich eine Menge Gedanken gemacht hat und mit Begeisterung für ihre Ideen wirbt, genauso wie beim Team, das sich übergangen und oft auch überfordert fühlt.


Was bedeuten Veränderungen in einem Unternehmen?


Unternehmenskultur und Mitarbeiterbindung:
Bestehende Prozesse und Traditionen stehen oft auch für eine starke Unternehmenskultur und eine hohe Bindung der Mitarbeiter. Abrupte Veränderungen lösen schnell Verwirrung und Widerstand hervor, das wirkt sich negativ auf das Betriebsklima und letztendlich auch auf die Produktivität aus. 

Vermeidung von Widerstand und Unsicherheit:
Mitarbeiter sind oft skeptisch gegenüber drastischen Veränderungen. Ein behutsamer Ansatz ermöglicht es den Mitarbeitern, sich anzupassen und Vertrauen die neue Führungskraft zu entwickeln. Das braucht Zeit, und vor allem eine gute Kommunikation. Erklären Sie, warum Sie etwas verändern und was Sie dafür tun, damit alle im Team die Veränderung gut mitgehen können.

Bewährte Geschäftspraktiken:
Etablierte Prozesse und Praktiken haben sich im Laufe der Zeit bewährt und tragen zum Erfolg des Unternehmens bei. Anstatt sie also allzu schnell zu verwerfen, ist es gut, sorgfältig zu analysieren, was beibehalten werden soll, weil es gut funktioniert und dann zu ändern, was nicht mehr passt.

Kontinuität und Stabilität:
Veränderungen können Instabilität im Unternehmen verursachen. Kontinuität schafft ein stabiles Arbeitsumfeld und Sicherheit der Mitarbeitenden, indem sich jeder auf seine Aufgaben konzentrieren kann. Wichtig ist es zu überprüfen, wann braucht es ein „weiter so“ und wann muss sich etwas verändern.

Respekt vor der Expertise der bestehenden Teams:
Alle MitarbeiterInnen bringen wertvolle Erfahrungen und Fachkenntnisse mit sich. Das verdient Respekt und Vertrauen. Besprechen Sie gemeinsam, was sich bewährt hat und was kritisch hinterfragt werden sollte, weil man es einfach nur „schon immer so macht“ – und keiner weiß genau, warum.

Wenn ich im Businesscoaching mit einer neuen Führungskraft und ihrem Team arbeite, setze ich ganz bewusst den Fokus darauf, zu Beginn wichtige Momente der Wertschätzung der geleisteten Arbeit zu schaffen und dann erst etwas zu verändern.

Mein Tipp: Warten Sie die ersten 100 Tage ab, beobachten Sie und hören Sie gut zu. Fragen Sie nach, warum etwas so gemacht wird.

Aber: Innovationen sind für den Erfolg eines Unternehmens wichtig.

Marktanforderungen verändern sich – das bedeutet Entscheidungen zu treffen und etwas zu verändern, das ist eine wichtige Aufgabe von Führungskräften. Neue Führungskräfte bringen frischen Wind ins Team und brauchen auch Raum, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen und Veränderungen voranzutreiben. Wichtig ist, das Beste aus beiden Welten zu vereinen: die Anerkennung dessen, was bereits vorhanden ist, und die Bereitschaft, es weiterzuentwickeln und gegebenenfalls zu transformieren.

Transformation in Teams ist gut möglich, wenn Traditionen anerkannt werden. Dann können Strukturen und Prozesse an neue Bedingungen gut angepasst und verbessert werden. Disruption, ein radikaler Bruch, bei dem bestehende Prozesse völlig in Frage gestellt werden, führt häufig zu Ablehnung. 


Eine tolle Übung dazu: Die Teamlandkarte

Auf einer Flipchart ist eine Landschaft mit einem Weg zu sehen. Dieser führt über Berge und Täler, durch dunkle Wälder, es gibt Abzweigungen und Sackgassen…

Das Team blickt jetzt zusammen zurück:

  • Wie haben wir miteinander begonnen?
  • Welche Hürden haben wir gemeistert – und warum hat das geklappt?
  • Welche Veränderungen gab es schon – und wie haben wir diese erlebt?
  • In welchen Sackgassen steckten wir fest – und wie haben wir wieder herausgefunden?
  • Was können wir schon immer gut – und können es bei allen Schwierigkeiten nutzen?
  • Welche unserer Erfahrungen und Stärken haben wir für unseren Weg in die Zukunft im Gepäck?

Diese Übung zeigt allen im Team, welches Können, welche Stärken und welche Erfahrungen da sind. All das bekommt den gebührenden Respekt und zeigt den Erfolg der bisherigen Arbeit. Das Team wird sich ebenso bewusst, dass es auch in der Vergangenheit immer wieder einmal Veränderungen gab – und dass es eine Menge Rüstzeug hat, neue Aufgaben zu meistern. Die neue Führungskraft erhält eine Menge Informationen darüber, auf welch gutes Fundament sie ihre Arbeit aufbauen kann.

Welche Erfahrungen haben Sie mit Veränderungen gemacht? Schreiben Sie mir an


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