Vom Teammitglied zur Führungskraft – ohne sich selbst zu verlieren
Am Telefon war Susanne hörbar aufgewühlt und klang angespannt. Ich kannte sie bereits aus unserem beruflichen Netzwerk – eine reflektierte, empathische Frau, die seit Kurzem die Leitung der Marketingabteilung eines namhaften Möbelherstellers übernommen hatte.
Nach vielen Jahren als Teil des Teams hatte sie es an dessen Spitze geschafft. Zwei Fortbildungen zum Thema Projektmanagement und Künstliche Intelligenz bereiteten sie fachlich gut auf die neue Rolle vor. Doch was sie nicht erwartet hatte: Die eigentlichen Herausforderungen zeigten sich auf einer ganz anderen Ebene.
„Wie kann ich Führungskraft sein“, fragte sie, „und empathisch bleiben? Wie kann ich mein Herz offenhalten und meine Werte weiterhin leben?“
Sie spürte, dass sich etwas verändert hatte – und dass es sie innerlich beschäftigte. Was genau war passiert?
„So bin ich eigentlich gar nicht.“
„Der Brückentag nach Himmelfahrt – eine meiner Mitarbeiterinnen wollte ihn frei haben. Familienfeier, lange Anreise, alles nachvollziehbar“, erzählte mir Susanne.
„Ich habe sie kaum ausreden lassen. Stattdessen habe ich sie zurechtgewiesen. Gesagt, dass das überhaupt nicht gehe, dass wir viel zu viel zu tun hätten, dass auch die anderen keinen Urlaub nehmen können und ob sie nicht wisse, wie wichtig diese Kundenveranstaltung für uns ist.“
Sie hielt inne, spürbar beschämt.
„Ich kann mir selbst nicht erklären, warum ich so harsch reagiert habe. Ich kann mich gerade nicht leiden. So bin ich eigentlich gar nicht.“
An diesem Punkt setzten wir im Coaching an. Denn genau hier liegt der Schlüssel: im Verstehen.
Was hinter einer Reaktion steckt: Emotionale Selbstführung
Im Coaching geht es nicht nur darum, Lösungen für konkrete Situationen zu finden. Es geht auch – im ersten Schritt – darum, sich selbst besser zu verstehen.
Wie reagiere ich in Stressmomenten? Was fühle ich wirklich? Und wie gehe ich mit diesen Gefühlen um?
Unser methodischer Ansatz basiert dabei auf dem Konzept der Impathie – mit „I“, nicht mit „E“. Impathie bezeichnet die Fähigkeit, die eigenen Gefühle bewusst wahrzunehmen, zu verstehen und konstruktiv zu nutzen.
Konkret umfasst sie vier zentrale Kompetenzen:
1. Du spürst bewusst, was du fühlst.
2. Du nimmst das Gefühl an, ohne es zu bewerten oder zu verdrängen.
3. Du fragst dich, warum dieses Gefühl da ist.
4. Du trittst innerlich einen Schritt zurück und betrachtest dein Erleben aus einer gewissen Distanz – aus der sogenannten Metaposition.
Gerade dieser vierte Schritt eröffnet oft eine neue Perspektive. Er hilft, sich nicht mehr vollständig von einer Emotion bestimmen zu lassen, sondern die Situation klarer einzuordnen und handlungsfähig zu bleiben.
Druck von außen – und von innen
Für Susanne bedeutete das: Sie lernte, ihre eigenen Gefühle ernst zu nehmen und zu hinterfragen.
Was war es, das sie so heftig hatte reagieren lassen?
Schnell wurde deutlich: Seit ihrem Wechsel in die Führungsposition lastete ein erheblicher Druck auf ihr. In zwei Wochen sollte eine wichtige Kundenveranstaltung stattfinden. Ihr erstes großes Projekt in leitender Funktion – eine Gelegenheit, sich zu beweisen, zu zeigen, dass sie der neuen Verantwortung gewachsen war.
Gleichzeitig wusste sie, wie angespannt die wirtschaftliche Lage des Unternehmens war. Es musste alles reibungslos laufen. Kein Raum für Fehler. Kein Spielraum für Schwäche.
Der Wunsch, alles perfekt zu machen, hatte sie überrollt. Und in genau diesem Moment war ihr eine Entscheidung entglitten – weil sie innerlich im Ausnahmezustand war.

Klarheit entsteht mit Abstand
Als Susanne ihre Gefühle nicht mehr unterdrückte, sondern bewusst wahrnahm, geschah etwas Entscheidendes: Sie konnte sich selbst mit Mitgefühl begegnen. Nicht als schwache Führungskraft, sondern als Mensch in einer herausfordernden Übergangsphase.
Aus der Metaposition heraus wurde deutlich, dass nicht der Urlaubsantrag das Problem war. Sondern der Druck, den sie sich selbst machte – verbunden mit einem inneren Anspruch, immer alles unter Kontrolle zu haben.
Sie erkannte, dass sie ihre neue Rolle noch gestalten durfte. Und dass dazu auch gehört, Verantwortung zu teilen, Aufgaben abzugeben und Vertrauen ins Team zu entwickeln. Führung bedeutet nicht, alles allein zu stemmen – sondern ein gutes Miteinander zu ermöglichen.
Emotionen? Sie gehören zur Führung dazu.
Viele Führungskräfte, mit denen ich arbeite, tragen unbewusst Glaubenssätze in sich wie:
„Ich muss immer souverän sein.“
„Gefühle gehören nicht in die Chefetage.“
Auch Susanne hatte sich bemüht, sachlich und rational zu handeln. Doch Emotionen lassen sich nicht ausblenden. Sie sind immer präsent und sie werden wahrgenommen - von mir und anderen, ob wir das wollen oder nicht.
Unterdrückte Gefühle zeigen sich oft als Gereiztheit, Erschöpfung oder Rückzug. Bei uns selbst genauso wie im Team.
Dabei sind Emotionen kein Störfaktor. Sie sind ein inneres Navigationssystem. Sie zeigen uns, wo Grenzen überschritten, Bedürfnisse nicht erfüllt oder Werte verletzt wurden. Und genau deshalb sollten sie in der Führungsarbeit nicht nur zugelassen, sondern bewusst integriert werden.
Was Susanne aus dem Coaching mitnimmt
Am Ende unserer Sitzung fasst Susanne für sich drei zentrale Erkenntnisse zusammen:
- Emotionen sind ein wertvoller Indikator. Sie zeigen ihr, wo Veränderung notwendig ist und wo sie achtsamer mit sich umgehen darf.
- Selbstwahrnehmung schafft Handlungsspielraum. Wenn sie sich erlaubt, ihre Gefühle anzunehmen und zu reflektieren, gewinnt sie an Klarheit.
- Offenheit schafft Verbindung. Sie möchte künftig auch im Team offener mit Gefühlen umgehen, empathischer zuhören und gleichzeitig klarer kommunizieren.
Und du? Kennst du Situationen, in denen du dich selbst kaum wiedererkennst? In denen der Druck überhandnimmt – und du im Nachhinein denkst: So wollte ich eigentlich nicht reagieren?
Dann ist es vielleicht an der Zeit, innezuhalten, hinzuhören und einen neuen Umgang mit dir selbst zu finden.
Wenn du dabei Unterstützung brauchst – beim Wechsel in deine neue Rolle, beim Umgang mit Emotionen oder beim Führen mit mehr Klarheit und Leichtigkeit – dann melde dich gern bei mir: .
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